Hype! Kunst und Geld

Verlag: 
Dtv (Mai 2007)
Autor: 
Piroschka Dos
ISBN: 
342324612X
Seite: 
258

Type:

 

Einleitung 

2005 wurden 15 Auktionsweltrekorde aufgestellt, erstmals überstiegen die Werte der Gegenwartskunst, die der klassischen Moderne und des Impressionismus.

Kunstmarkt = schillerndsster Spross der kapitalistischen Gesellschaft. Zusammentreffen von Kunst und Geld, sakrale Andacht und profane Spekulation, Auktionsrekorde und Künstlerarmut. 

Hype = vom englischen Wort Hyperbole und steht für Übertreibung und bedeutet Trick, Wirbel, Medienrummel um ein Produkt. Marketing ist das Erzeugen von Illusionen - und die Grenze zum Hype ist fließend. S. 136

1. Der Kunstmarkt - Hype und Herdentrieb

Mit Kunst auf die Zukunft wetten - 2005 Daniel Loeb Hegde Fond Manager kauft Kunst von Martin Kippenberger verkauft wurde nach 2 Jahren (2005) mit 500 % Gewinn (1 Mio. Dollar). Käufer Saatchi. Unter wall power versteht mann Hedge Fonds, die in Kunst investieren. Investieren massiv in 1-3 Künstler und bauen Positionen auf, treiben Preise in die Höhe und verkaufen oder verschenken (Minderung der Steuerlast, Position als Trustee in einem bekannten Museum) diese.

Spekulation = Einschätzung eines kommenden Ereignisses (Kalkül u. Fantasie). Hedging= Absicherung gegen Kursverluste = auffinden und Ausnutzen von Kursschwankungen. Größtes Potential in der Gegenwartskunst. Es wird immer weniger in Blue Chips investiert, sondern in junge Künstler. 49 Künstler unter 45 Jahre nehmen die magische 100.000 Dollar

Die Entstehung des Kunstmarktes -  Rocharde vom Mäzen zum Markt. Der Käufer wird vom engagierten Mäzen zum investierenden Sammler.

Das Tabu des Geldes - Geld als Ausdruck zum Erfolg scheint immer wichtiger zu werden. 1975 38 % USA als wichtigstes Merkmal für glückliches Leben - 1994 63 %. S. 25. Geld im Christentum früher als Sünde - heute money centered Society - amerk. Ökonom David C. Korten. Unsichtbare Hand der Nutzenmaximierung.

14 - 16 Jhd. Spaltung im Englischen von pris (stammt v. lateinischen pretium). praise = Lob | prize = Belohnung | price = in Geld ausgedrückter Tauschwert | priceless = Unbezahlbare (erstmals bei Shakespear im Kaufmann von Venedig Figur des Shylock) = in Geld nicht ausdrückbar

Kollektive Wette - Jackpot Kunst - vergleichbar mit Aktienmarkt. Crash ist die Folge einer Spekulationsblase, die wiederum Folge von einem Übermaß an Liquidität ist.

2005 Auktionsumsatz mit Kunstwerken über 4 Mrd. $, 90 % jedoch unter 10.000 €. Anstieg ging über die teuren Werte. Käufer von günstigen Werken drehen den Euro 3 x um. Statistik über Preissteigerungen nach Werten u. Segmenten (Gegenwart, Klassische Moderne, 19. Jhdt, Alte Meister) zw. 1994 u. 2004. S. 33

Einkommensentwicklung USA (University of California u. Ecole Superieure Normale Paris). 1972 - 2000 Realeinkommen um 7 % gesunken. Einkommen der oberen 1 % um 148 % gestiegen, der oberen 0,1 % um 343 gestiegen, die obersten 0,001 % 599 %. Volkswirtschaftl. Einkommen des oberen 1 % ist von 1980 - 2004 von 8 auf 16% gestiegen. Ungleichheit = Zeichen des kapitalistischen Wirtschaftssystems. The survival of the fittest - Charles Darwins Evolutionstheorie - überleben der am besten angepassten. Noch ungleicher Entwicklung von Vermögen. zB deutscher Privathaushalte haben ein Vermögen von 5 Billionen Euro. Davon gehören 50 % den reichsten 10 % des Landes. Weniger als 4 % der Werte gehören der unteren Hälfte der Haushalte. Durch Erbschaften wird dieser Trend noch verstärkt. 

50 % erben in BRD nichts. 20 % erben in den USA. Von diesen 20 % erben nur 1,6 % mehr als 100.000 $. 

Kunst als Kapital - Bilder auf der hohen Kante. Neuartige Konstruktionen über Fonds. Bsp. Fine Art Fund (London). 150 Mio. $ - treten als Käufer auf - seit 7/2004 werden monatlich 2 mio. $ in Kunst investiert. Kunstwerke werden bei Fondzeichnern gelagert, die dafür Miete zahlen.

Insgesamt schätzt mann, dass durch solche Fondaktivitäten ca. 10 Mrd. $ in 10 Jahren in den Kunstmarkt geflossen sind. 

Massaker im Auktionssaal - what goes up - Kunst ist die geschmackvollste Form ökonomisch Macht zu demonstrien. Inspiriert durch Börsenmanager überschwappen auch auf normale Bevölkerung. 4,5 Mio. Besucher 1983 Metropolitan Museum of Art. 40 Mio. gesamt in den Usa besuchen Museen. 1988 50 % des Auktionsumsatzes auf japanische Käufer (Aufwertung des Yen zum Dollar). 1990 Nikkei kollabierte und Kunstmarktblase platzte. Bsp. van Gogh Dr. Gachet - 1990 82,5 Mio. $. Wenige Jahre später nur mehr um 1/8 des Preises verkauft.

1990 - 1. Einbruch | 2005 Preise um 56 % über dem Niveau von 1990 | 2006 - 2. Einbruch

Dynamik des Kunstmarktes  - Kaufen Sie Kunst, und kaufen Sie teuer. Denn Sie werden noch teurer verkaufen.

Studie NY Professoren Mei und Moses S. 43 - Basis British Railway Pension Fund (Volumen von ca. 40 Mio. Pfund). Mei Moses Art Index: 10,5 % durchschnittliche Steigerung in den letzten 50 Jahren. Unterschiedlichste Renditenangaben (Sotheby's 15,3 %)

Fehler:

  • nur Auktionsergebnisse berücksichtigt, die tatsächlich versteigert wurden (die unverkauften wurden somit nicht bewertet). Ca. 25 % werden nicht verkauft
  • Transaktionskosten (ca. 25 %) wurden nicht berücksichtigt
  • Ergebnis beruht maßgeblich auf Spekulationsblase des Impressionismus (24 Bilder von ca. 2.245)
  • Performance lag nur wenig %-Punkte über Inflationsrate u. wurde zb auch vom BR Pension Fund in Aktien geschlagen
Nur wenige Kunstfonds erzielen eine Performance von über 20 % (1 % der Fonds). 65 % machen ein Minusgeschäft. S. 45.
 
Marktchrakteristika - Winner takes it all Markt - enormes Preisgefälle bei geringen oder nicht existenten Leistungsunterschieden. 
Segnemte: kleines, boomendes Hochpreissegment | großes Niedrigpreissegment | Erosion der Mitte.
Globalisierung, internationales Messekarusell, schwindende Kaufkraft der Mittelklasse-Klientel 

2. Der Sammler - das Objekt der Begierde

Die Rolle des Geldes - Kunst folgt Geld, Geld jagt Kunst. Markantester Faktor bei der Preisbildung = Einkommen der Nachfrager. Art-News (wichtigsten Kunstkäufer) korrelieren mit der Forbes-Liste. Deep-pocket-market.

Die Liebe zum Objekt - Urgrund des Sammelns liegt in der Übertragung von Gefühlen auf leblose Objekte. Bsp. Teddybär in der Kindheit - erste Lovestory zw. Mensch und Ding. Auto, iphone... Magische Objekte dienen als Schutzwall gegen das Gefühl der Verwundbarkeit. Daraus entwickelte sich das emotional Branding - Koppelung von Eigenschaften (Sex, Schönheit, Reichtum) an ein Produkt. Soziale Zuordnung - Tribes... Nähe zur Magie

Dynamik des Sammelns - Diderot Effekt - Alle Werke müssen zueinander passen, verändert man nur eines kann dadurch alles durcheinander komen

Charles Saatchi - S. 67 - YBA - Thatcher - Werbemogul - Freeze

Steve Wynn fast blind - S. 75 1996 Sotheby's London und Christie's ersteigerte Kunst für sein Casinohotel Bellagion in Las Vegas. Gute PR Geschichte, Ocean's Eleven, 

Konzept: Man konnte die Bilder gegen Eintrittsgebühr besichtigen, man konnte die Bilder aber auch kaufen. Positive Synergie - Kunst mit Steuerfreiheit finanzieren (öffentlichen Raum) - Wert ca. 300 Mio. Dollar. 

Die Macht der Sammler - Mäzen = Kunstfreund, Gönner, selbstloserer Förderer von Kunst u. Wissenschaft. Hat jedoch immer schon auch Eigennutz beinhaltet. Medici wollten sich von der Kirche durch hohe spenden von der Sünde (Zinsen) befreien und wurden deshalb Föderer der Kunst. Neue Medici sind die Sponsoren (Vorteilsstreben, Marktorientierung und Medienbewusstsein)

Der Status des Museums - 1992 MoMA Retrospektive von Henri Matisse - Stimulation der Kauflust folgte umgehen - 28 Bilder tauchten in Auktionen auf. Museum ist das Jüngste Gericht des Kunstmarktes. Durch gekürzte Budget besteht jedoch eine immer größere Abhängigkeit von privaten Finanziers. Bsp. Guggenheim Museum Kooperation mit BMW, Armai S. 89. Und es wird immer schwieriger Rolle aufrecht zuerhalten. 

Macht, Geld und Kunst - Midas Effekt - Insidergesellschaft, in die man schwer hineinkommt. Vernetzungen S. 87 für USA

Insiderhandel - im Kunstmarkt erlaubt (Ausstellungen eines Künstler im Museum, pushen die Preise erwiesenermaßen)

Manövriermasse - Bsp. Philip Morris (heute Altria) und Seagrams (heute Diageo und Pernod Ricard) zählen zu den Pionieren des Kunstsponsoring und Corporate Art Collecting. Durch Kapitalerhöhungen bekommen sie benötigtes Kapital, kaufen Kunst und polieren das Image auf. Besonders interessant bei gesundheitsgefährdenen Produkten. George Weisman 1982, Vorstandsvorsitzender Philip Morris: Das fundamentale Interesse der Wirtschaft an der Kunst ist Eigeninteresse"  - Buch Philip Moris und die Kunst S. 98. Kunst ist ein Politikum - Bsp. Rauchverbot in NY - Drohung der Streichung von Kunstförderung seitens Morris.

Machtfragen:Wer finanziert Kunst, Wer definiert Kunst? Wer profitiert von der Kunst?

Markt im Museum - Bilbaoeffekt, von Provinznest zur Kulturstadt, Junge Kunst statt alte Meister, echte Mäzene leihen nicht, sie schenken

3. Händler - Promotor und Parasiten

Der Aufstieg des Händlers - Bsp. Berliner Galerie Nothelfer - hat in 40 Jahren ca. 200 Künstler ins Rennen geschickt - nur 8 haben sich als Künstler dauerhaft am Kunstmarkt etablieren können. Pioniergeist, Risikobereitschaft sind Kernkompetenzen des Galeristen. 70 % der Sammler beschaffen sich Informationen vom Galeristen, 50 % mit Kontakten zu Künstlern, 40 % Zeitungen, Fernsehen 5 % und Internet 2 % - S. 108

Globalisierung - globalisierte Kunstwelt - Vermarktungserfolg durch Netzwerken - Global Player mit viel Geld ausgestattete Unternehmen, die an strategisch gewählten Orten präsentieren. Folge: Konzentration der Nachfrage auf wenige Künstler. Weltweit nicht mehr als 30-40 Künstler, die mit ihren Werken die Geschmacksvorlieben einer globalen Weltelite bedienen - Quelle World Wealth Report 2006 - Unternehmensberatung Cap Gemini.

Von Europa nach angloamerikanischen und Asiationen Raum - Führende Galerien erzielen nur mehr einen Bruchteil der Umsätze vor Ort. Wichtig ist es an 10-12 Messen jährlich teilzunehmen - was sich nur finanzstarke Galerien leisten können. Lokale Ladengalerie wird zum Auslaufmodell - auch da sich Künstler via Internett überall präsentieren können.

Trend: boomender internationaler Markt - schrumpfende nationale Märkte. Umsatzeinbußen: 1998-2001: Frankreich - 20 %, Niederlande u. Österreich -45 %, Deutschland 2003-2006 - 23 %. S. 119

Kunst für Alle - Aldi oder Eyestorm -Trickle down Effekt Ähnlich wie bei Modemarken ihre Hauptumsätze nicht mit teurer Haut Couture, sondern mit billiger Massenware wie T-shirts und Sonnenbrillen generieren, machen International bekannte Künstler einen großen teil ihres Umsatzes mit Editionen. Bsp. Felix Droese 2003 mit Druckgrafiken bei Aldi. Lt. dieser Bewertung Eigentor. Aldi verdiente zwar sehr gut. Der Künstler steigerte zwar seine Bekanntheit, die Preise begannen jedoch zu sinken. Beeinflussung der Bekanntheit bei der falschen ZG.

Kampf um Kunst und Geld - Grundregel: in der Galerie stabile Preise, auf der Auktion Preisabsturz, Unverkäuflichkeit bzw. astronomischer Ergebnisse.

Wirtschaftssoziologe Olav Velthuis: Galerie u. Auktion 2 Wertesysteme Kunst und Markt. Galerien vertreten Künstler, Auktionshäuser vermarkten Kunstwerke. In der Galerie zählt Kennerschaft, in der Auktion Finanzkraft.

Expansion der Auktionshäuser - 600 Auktionshäuser - Top: Sotheby's, Christie's und Pillips de Pury & Company

Entwicklung:

  • Das Auktionshaus als Schweizer Bank  - ab 1960 Kunst = Geld und Klasse, Durch Schätzpreise (ab 1973) mehr Transparenz für Privatkäufer, bis dahin nur Profis
  • Eroberung des Endverbrauchers - Direkt-Marketingaktionen an Haushalte in bessere Gegenden Der Anteil der Profis am Umsatz sank von 75 auf 40 %
  • Der Griff nach der Gegenwart - Verknüpfung von Luxuslabels mit Kunst (affine Zielgruppe) - Bsp.PPR Konzern (Laurent, Gucci..) mit Christie's und Sotheby's bzw. Phillipy mit LVMH (Vuitton, Dior, Jacobs) S. 129 Mode setzt bewusst Kunst als Bestandteil der Markenpolitik ein. Kunst - Mode - Lifestyle
Geheime Preisabsprachen - S. 133 inkl. Strafen, Garantien u. Kredite

4. Der Künstler - Vom Mythos zur Marke

Der Künstlermythos - die Magie des Erfolges

Pablo Picasso - vom Mythos zur Marke - ungekrönter König - jährlich Umsätze in Höhe von 225 Mio. $ bei Auktionen, mehr als 1000 Werke wechseln jährlich den Besitzer. Nummer 1 bei Gemälden, Drucken und Keramiken und Nummer zwei in Zeichnungen. 8 der 20 teuersten Werke stammen von Picasso. Durchbrach als erster die 100 Mio. $ Schallmauer. "Ich will leben wie ein armer Mann mit einem Haufen Geld". Kreirte Kubismus - im Marketing vergleichbar mit category positioning. Suchte sich jedoch Verbündete, die im gleichen Stil malten. 

USA - das Bekenntnis zum Geld - nur in den USA - in Europa gilt zB nachlässig Kleidung als Indiz für missachten von Normen, in Amerika zeigt es wirtschaftliche Erfolglosigkeit.

Die Kehrseite des Mythos - don't give up your day job - Künstler leben weltweit an der Armutsgrenze. zB BRD 2005 Durchschnittseinkommen 11.091 €, das ist nur ca. 1/3 des Einkommens eines normalen Arbeitnehmers. Existenzrisiko, Selbstausbeutung. Eigentlich müsste Zahl an Künstler sinken. Gegenteil

Aus der eigenen Mitte - Künstler können sich besser motivieren, flow

An der Pforte zum Paradies - Künstlerarmut - Statistiken S. 174

Mythen - Markt u. Umweltbedingungen

  • Talent ist für den Erfolg in der Kunst entscheidend (auch andere Faktoren sehr entscheidend)
  • Jeder hat in der Kunst die selbe Chance (unrichtig Fiananz, soziale Netze...)
  • Talent kann auch spät in der Karriere des Künstlers zum Vorschein kommen  (Realität: Künstler hat 7 Jahre Zeit sich zu etablieren, Christ Dercon, Direktor vom Münchner Haus der Kunst)
  • Eintrittsbarrieren in der Kunst sind niedrig (von Hausfrau bis zum Akademiker) - Ausnahme im hochpreisigen Segment, das wird streng bewacht ??
  • Sozialdarwinismus
  • Überangebot an Künstlern wird weiter zunehmen - Grund zusätzliche Märkte aus BRIC (Brasilien, Russland, Indien, China) USA wichtigster Markt mit 43,1 %, GB 28,4 %, Frankreich 6,6 %, Hongkong 3,7 %, BRD 3,6 %. 
Starökonomie - the winner takes all market - Begriff von Ökonomen Robert Frank und Philip Cook, wenige Anbieter schöpfen den Großteil der Einnahmen ab. Bsp. Profisport, Film, Musik und Kunst. Bsp. Steffi Graf Pos. 2 auf 1 - wenig Verbesserung der Technik - Rücktritt Seles - mehrfaches an Einnahmen. S. 178
 
Popularitätsvorsprung = späterer Markterfolg. Alle Versuche Qualität der zeitgenössischen Kunst zu quantifizieren sind gescheitert. 
 
Reputation und Ranking - der Schneeballeffekt. Kunstmarkt nur nach außen frei. Informelle Barrieren genauso wirksam wie die förmlichen Zugangskontrollen. Gatekeeper sind Kuratoren, Kritiker, Galeristen. 
 
Art-Rankings:
  • Kunstkompass - seit 1970 von der Zeitschrift Capital  - Wert innerhalb des Kunstsystems S. 182 - Aufmerksamkeitsmessung, Ausstellung, Medien.. keine Erfindung der Neuzeit. Die Verhaltensforschung nennt das Status Pyramiden - Tierreich, Schützenverein, Konzernzentrale, self-fulfilling prophecy
  • Schweizer "Bilanz Art Guide" zw. 1993 -2003 immer die gleichen Namen
Die Funktion des Mythos - Die Figur des Autors und Künstlers als autonomer Schöpfer ist eine westliche Erfindung. Was unsere Bewunderung hervorruft und die Bereitschaft hohe Preise zu zahlen ist weniger das Werk als die Aura des Schöpfers. Als Starkult ist der Künstlermythos in seiner kommerzialisierten Form zum erfolgreichen Verkaufsargument des Kunstmarktes geworden. Das ökonomische Konzept der Marke hat das romantische Konzept des Genies überlagert.

5. Das Kunstwerk - Die Aura des Originals 

Was ist Kunst? Picasso: eine Art Aufruhr | Paul Klee: Schöpfungsgleichnis | Alexej Jawlensky: Mathematik | Georges Braque: Verzauberung | Max Liebermann: Handwerk | Karl Valentin: Es gibt keine Kunst, denn Kunst kommt von Können. Aber wenn man etwas kann, dann ist es keine Kunst | Andy Warhol: Art? That's a man's name. 

Picasso: es zählt nicht, was ein Künstler macht, sondern was er ist. Ein Objekt gilt als Kunstwerk, wenn sich Künstler, Kritiker, Galeristen, Museumsdirektoren, Kuratoren, Experten und Sammler einig sind, das es Kunst ist. = soziales Konstrukt.

Kunstexperiment Yves Klein: Monochrome, blaue Bilder, die alle gleich groß sind zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Wurden auch zu unterschiedlichen Preisen gekauft. Das sensationelle - jeder Käufer wählte sein Bild aus und bezahlte den verlangten Preis - subjektive Entscheidungen, die keine sachliche Rechtfertigung haben.

 

Jeremy Deller, Turner-Preisträger 2004 - Kunst erkennt man am Preis S. 203

Veblen-Effekt- Paradoxon, dass Luxuswaren bei steigenden Preisen eine höhere statt niedriger Nachfrage nach sich ziehen. 

Reichen werden reicher - 8,3 Millionen Haushalte mit einem Vermögen von mind. 1 Mio. $. 

selektive Extravaganz - Einkaufen von Schnäppchen und Luxusartikel

Markterfolg und künstlerische Glaubwürdigkeit bedingen einander. Man glaubt nicht mehr der Kunst sondern dem Markt.

Studie von Bruno Frey und Werner Pommerehne über den Kunstmarkt. Aktuelle Preisunterschiede zwischen Künstlern beruhen auf erzielte Preise in der Vergangenheit. Bsp. S. 207 v. Rauschenberg u. Tinguely

Karriere eine Kunstwerkes - Mona Lisa die Femme Fatale

Am Beginn ihrer Karriere war sie von der Bewertung her ein eher günstiges Werk des Louvre. 50.000 - Raffaels Heilige Familie zB 600.000 Francs. Der Schriftsteller und Dichter Théophile Gautier, der auch Kunstkritiker in Paris war, revolutionierte mit seiner femme fatale (Fanny Hill u. Manon Lescaut , kalte Sinnlichkeit, stürzen Männer ins Verderben...) Interpretation die Figur total. Zusätzlich: Käufer Sammler (französische König), Ausstellung (Louvre), Autor, Ort (Paris), Zeit (19. Jhdt)

Das Original - Fixstern am Kunstmarkt 

Relation andere Statussymbole Kunst. teuerste Diamant 16,5 Mio. $, Kunstwerke über 100 Mio. $. Kunstsammer J.P. Morgan - unique au monde, einzigartig auf der Welt.

Die Kehrseite des Originals - die Wahrheit der Fälschung

Wahrscheinlichkeit einer Fälschung: 1:10 S. 220 - Aura des Originals. Bsp. von Fälschern New Yorker Ely Sakhai. FBI . Marc Chagall in Tokio und Verkauf des gleichen Werkes in der NY Galerie (Blumenstilleben). 12 x nachgewiesen. Er arbeitete nie mit absoluten Spitzenwerten, flog unterhalb des Kunstradars

Die Dematerialisierung der Kunst - die Fiktion des Originals. Ökonomen fragen sich, wofür bezahlt wird. Objekt od. deren Eigenschaften. Mit dem Kunstwerk wird ein Anteilsschein am Künstlermythos oder ein Anrecht auf eine Parzelle im Königreich der Kunsgeschichte gekauft. Bsp. Giacomettis Figuren vor und nach seinen Tod erstellt. Obwohl immer sein Bruder die Umsetzung der Entwürfe gemacht hat, waren die Skulpturen, die nach  seinem Tod gemacht wurden, weniger wert. Ähnlich verhält es sich in der Fotokunst. Je weiter vom Erzeugungsdatum entfernt, desto billiger.

Bsp. Warhol - Massenproduktion - überließ Ausführung seinen Assistenten. Warhol Factory. Kein Werkverzeichnis. Erkannte als einer der ersten, die Bedeutung der Idee gegenüber der Verwirklichung und wurde damit der Wegbereiter der Konzeptkunst.

Zur treibenden Kraft in Kunst und Markt wurde die Innovation. Lt. Sol lewitt 1969 - Es geht darum eine künstlerische Absicht zu formulieren und eine Idee zu verkaufen. Bsp. Nichtbild des amerikanischen Künstlers Robert Ryman, Signet 20. Inhalt: Streifen weißer Farbe auf weißen Grund. S. 229 - Schätzpreis: 1,5 Mio. $. Wurde nicht verkauft Insgesamt erzielte er mit einem anderen Objekt zw. Konzeptkunst u. Minimal Art 1,6 Mio. $.

Vom Wert der Kunst - The true artist helps the world by revealing mystic truth - bruce Naumann 1967. Anspruch auf tiefe Wahrheit und eine existenzielle Erkenntnis als fundamentale Forderung an die Kunst. Auseinanderdriften der Kunstpreise, Erosion der Mitte, Konzentration des Marktes auf wenige Sieger - Spiegelung der wachsenden Ungleichheit in unserer Gesellschaft. 

Spannender Markt: Sammler, Händler, Experten, Steuerbetrüger, Geldwäscher, Fälscher, Diebe u. Hehler. Lt. Interpol. weltweit ca. 2- 4,5 Mrd. $ pro Jahr an gestohlenen Kunstobjekten. Schwarzgelder - in BRD ca. 50 % des Umsatzes. Im Kunsthandel wird verborgen, verheimlicht und verschwiegen. 

Fair value, fundamental value und true investment value. Kann in der Sache selbst od. im Zusatznutzen liegen. Er beruht nicht auf kulturelle Anerkennung noch auf ökonomischen Tausch. Unabhängig von praise, prize od. price. Er ist priceless.

Kunst als Kunst wahrzunehmen bedeutet indes, jene Kunst zu wählen, die man liebt. Diese Freiheit ist der wahre Luxus der Kunst.