
Eveline Christof gemeinsam mit Beate Bauer und Nina Hager
Grundlagen qualitative Methoden - unter besonderer Berücksichtigung des Interviews: Theorie, Methode und
praktische Anwendung (VO + UE) WS 05/06
Experten-Interview
Ein wenig strukturiertes Erhebungsinstrument, das zu explorativen Zwecken eingesetzt wird. Vorinformationen über ein Feld wichtig (wer?), Leitfaden wichtig, flexibel zu handhaben „Störungen haben Vorrang“). Gute Schulung der I. Das Experten-Interview eignet sich zur Rekonstruktion komplexer Wissensbestände und wird
sowohl als eigenständiges Verfahren als auch im Rahmen eines Methodenmix eingesetzt. Angewendet in Bereichen, die auf Umsetzung von politischen und pädagogischen Programmen in die Praxis gerichtet sind wie: Bildungsforschung, Implementationsforschung, soziologische Verwendungsforschung. In der pädagogischen Forschung: valuationsforschung. Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft, Verbänden, Ausbildungsinstitutionen aber auch Personen aus der Praxis werden so befragt. Interesse an: Entscheidungsmaximen für Programmgestaltung, Erfahrungswissen aus der Praxis, (neues) Wissen aus innovativen Projekten, Wissen über Bedingungen, die zu Fehlern führen auch Veraltetes, Überholtes). Erfassung von praxisgesättigtem Erfahrungswissen (Experten), die know-how über ein Gebiet haben, Gesetzmäßigkeiten und Routinen kennen, nach denen sich ein soziales System reproduziert – die aber auch großen Einfluss auf eben dieses System haben.
Weitere Einsatzgebiete: Erforschung von Sozialisations- und Selektionsprozessen, Bildungs und Berufsverläufe, institutionelle Karrieren. Unterschiede zu anderen qualitativen Interviews: Gesprächsführung und Auswertung; kein vordergründiges Interesse an der „subjektive Sicht“ des IP – Expertenwissen, Expertentum
Wer ist ein Experte/ eine Expertin?
Auswahl der Personen für Experteninterviews keine klaren Kriterien – Begriff Experte wenig systematisch diskutiert. 1. Expertokratisierung der Gesellschaft, Expertenherrschaft, Professionssoziologie, Elitenforschung; 2. wissenssoziologische Diskussion über Experten und Laien (Schütz: „der gut informierte Bürger“), unterschiedliche Formen des Wissens: Sonderwissen, Geheimwissen, implizites Wissen; 3. Expertin: Status wird vom Forscher so bestimmt – Person verfügt über ein Wissen im Handlungsfeld, das nicht jedem zugänglich ist (Wissensvorsprung). Def.: Experte ist wer sich durch eine institutionalisierte Kompetenz zur Konstruktion von
Wirklichkeit auszeichnet (Hitzler u.a. 1994). Abgrenzung zu der Auffassung, dass dann jede Person gewissermaßen Expertin ihres Alltags, Lebens ist. Expertenwissen: in seiner Begrenzung dem Experten klar und deutlich verfügbares Wissen (Reflexion wichtiges Element). Experte als Verwalter von Sonderwissen – „sozial institutionalisierte Expertise“, meist an eine Berufsrolle gebunden. Ein Experte wird durch die Übernahme der auferlegten Relevanzen bestimmt, mit welcher der Bezugsrahmen des jeweiligen Tätigkeitsbereichs als geltend akzeptiert und als solcher zur Basis des eigenen Handelns wird. Persönliche Motive sind nicht relevant.
Expertenstatus bestimmt sich in Abhängigkeit zum jeweiligen Forschungsinteresse. Wahrnehmung der Interviewerin/ des Interviewers durch Experten/ Expertin
Co-Experte oder Experte einer anderen Wissenskultur: gleichberechtigter Partner und Kollege; gemeinsam geteilter Wissensvorrat als Grundlage; horizontal ausgerichtete Kommunikationsstruktur; Gespräch – Befragung – Fachdiskussion? Unterstellte Kompetenzzuschreibungen und Rollenerwartungen; Interviewsituation kann kippen: Befragter wird zum Fragenden; möglicher Vorteil: Informationen auf einem fachlich hohen Niveau („Informationshandel“); Nachteil: werden implizite normative und handlungspraktische Prämissen als geteilt und unhinterfragt vorausgesetzt, dann sind sie der Analyse nur schwer
zugänglich
Laie: Interviewer muss dem Befragten in Alter und Qualifikation „wenigstens halbwegs kompatibel und gleichwertig erscheinen“; „Paternalismuseffekte“ für die Datenerhebung strategisch wenden: I als willkommener Laie – IP strebt eine didaktisch orientierte Vermittlung seiner Erfahrungen, Einstellungen und Wissensbestände an (Monolog, Eveline Christof gemeinsam mit Beate Bauer und Nina Hager Grundlagen qualitative Methoden - unter besonderer Berücksichtigung des Interviews: Theorie, Methode und praktische Anwendung (VO + UE) WS 05/06
Orientiert an thematischen Einheiten, inhaltlich im Text verstreute Passagen. Äußerungen werden im Kontext der institutionell-organisatorischen Handlungsbedingungen verortet Bedeutung. Vergleichbarkeit der Interviews vor diesem Hintergrund und durch die leitfadenorientierte Interviewführung.
Auswertung:
Transkription - oft nicht das ganze Interview (wie bspw. narrative Interviews)
Paraphrase: Sequenzierung des Texts nach Alltagsverstand, was transkribiert oder zusammengefasst wird – nach Forschungsfrage
Kodieren: Verdichtung des (teilweise paraphrasierten) Materials, nach Kriterien geordnet, textnah – Terminologie von IP; Verdichtungen, Typisierungen und Abstraktionen bleiben im Horizont des einzelnen Interviews
Thematischer Vergleich: u zentralen Kategorien können Teile aus versch. Interviews genommen werden;
textnahe Kategorienbildung; theoriesprachliche Abstraktion vermeiden
Soziologische Konzeptualisierung: Ablösung von den Texten und der Sprache der Interviews; Gemeinsamkeiten und Differenzen; im Rekurs auf Theorie Strukturen des Felds, welche auf dem empirischen Material gründen
Theoretische Generalisierung: Ebene der soziologischen Theorien; Sinnzusammenhänge werden zu Typologien und Theorien verknüpft Theoriebildung
Literatur: